Vor allem in ländlichen Regionen haben Neonazis oftmals keine Schwierigkeiten, ihr Weltbild nach außen zu tragen. In vielen Dörfern stellt es nicht einmal mehr einen Tabubruch dar, wenn sich Jugendliche offen zu ihrer rechten Gesinnung bekennen. Wer dennoch auf diese rechten Strukturen aufmerksam macht, ist ein_e Nestbeschmutzer_in. Dass es dabei nicht um das Ansehen des jeweiligen Dorfs oder Stadt geht, sondern um eine notwendige politische Auseinandersetzung mit Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus, wird meist ausgeblendet. Rechte Einstellungen sind weit in der Gesellschaft verbreitet:
Neonazis fallen nicht plötzlich vom Himmel, dafür aber auf fruchtbaren Boden.
Es wäre nicht notwendig, dass antifaschistische Gruppen von außen intervenieren, wenn das Problem „vor Ort“ angegangen würde. Wenn die Dorfjugend nebenbei jedoch offene Neonazis sind, fällt das viel zu oft unter den Tisch. Dass im Jugendraum Rechtsrock läuft, NPD-Aufkleber auf den Laternenmasten prangen und „Nationaler Sozialismus oder Tod“ eine kleidsame Parole für die Kirmes ist, wird nicht nur nicht wahrgenommen – das Problem ist dann auch kein „wirkliches“ Problem mehr sondern Normalität. Traurige Folge ist: Neonazis können sich frei und unwidersprochen bewegen.
Wenn die regionalen Strukturen nur mit Abwiegeln, Kleinreden, Verharmlosen und Abstreiten reagieren oder aber mit Neonazis an Runden Tischen gegen „alle Extremisten“ sitzen, während in ihrem Dorf Menschen bedroht und diskriminiert werden, ist der Neonazitraum von der National Befreiten Zone nah an der Realität.
“…verschließt du weiter die Augen und bist du weiter so blind, ist die Kameradschaft reicher um dein eigenes Kind.“
Übergriffe auf Menschen, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen, ein geschändeter jüdischer Friedhof oder gar ein Naziaufmarsch im eigenen Ort? Selbst dann lassen sich die gleichen Reflexe der Verleugnung beobachten: „Die Nazis kommen doch von außerhalb!“ oder „Das sind unsere Jungs, aber eben verblendet und verführt von diesem oder jenem.“ Diese Argumente haben nur zur Konsequenz, dass Neonazis für ihr Handeln nicht zur Verantwortung gezogen werden und sie auch nicht als das gelten, was sie sind.
Genauso wenig sind Angriffe auf Menschen und der Widerstand gegen eben diese gewaltätigen Neonazis als Konflikte rivalisierender Jugendbanden abzutun. Es handelt sich hierbei um eine politische Auseinandersetzung, welche die ganze Region etwas angeht.
Was tun?
Neonazis schweben nicht im luftleeren Raum. Rassismus und Antisemitismus finden sich überall – auch im ländlichen Raum – und niemand kann sich von Klischees und Vorurteilen ausnehmen. Es reicht also nicht im Geringsten, das Problem ausschließlich bei den glatzköpfigen Neonazis zu suchen. Es ist unumgänglich die eigenen Denkweisen, Rollenbilder und Klischees zu überprüfen. Nur so kann Neonazis die Anschlussfähigkeit genommen werden: Ihre Ansichten und ihr Auftreten muss überall auf Ablehnung stoßen. Weder Neonaziaktivitäten noch rechtes Gedankengut darf man ignorieren oder verschweigen, sondern ihnen muss offensiv begegnet werden.
Die stärksten Mittel gegen Neonazis sind ein gemeinsames Handeln sowie ein Bewusstsein, das Nazis weder Anknüpfungspunkte noch Toleranz entgegen bringt. Die Kampagne „Wälder. Wiesen. Neonazis.“ hat sich deshalb zur Aufgabe gemacht, eben dieses Bewusstsein zu schaffen, Neonazis und ihren Unterstützer_Innen in ländlichen Regionen Hessens die Sicherheit zu nehmen, die öffentliche Diskussion auf sie zu lenken und rechte Strukturen anzugreifen.